Aus Freude am Schmerz

Tägliche Quälerei für die WM

Ratzeburg (knost) Um 6 Uhr klingelt der Wecker, um kurz vor 7 Uhr geht es das erste Mal aufs Wasser: So sieht derzeit der Alltag für Bea Bliemel und Anna-Maria Brendel vom Bessel-Ruder-Club (BRC) aus. Die beiden Mindener Spitzenruderinnen haben sich für die U23-Weltmeisterschaft in Rotterdam Ende August qualifiziert und schwitzen trotz derzeit wenig sommerlicher Temperaturen im deutschen „Rudermekka“ Ratzeburg in der so genannten unmittelbaren Wettkampfvorbereitung (UWV). Das Mindener Tageblatt hat die beiden Ruderinnen in der malerischen Inselstadt in der Nähe von Lübeck besucht.

MT: Wie sieht euer Tagesablauf hier im Trainingslager aus?

Anna-Maria Brendel: Um kurz nach 6 Uhr klingelt der Wecker, dann ein kurzer Imbiss. Um 7 Uhr steht in der Regel die erste Trainingseinheit auf dem Plan. Etwa 20 Kilometer Rudern hier auf den Gewässern rund um Ratzeburg. Danach geht es wieder an Land, für ein ausgedehntes Frühstück. Vor dem Mittagessen steht dann eine weitere Einheit auf dem Plan, entweder auf dem Ruderergometer oder Krafttraining.

Bea Bliemel: Am Nachmittag gehen wir dann noch einmal aufs Wasser. Abends haben wir noch ein lockeres Training mit dem Physiotherapeuten. Jeden dritten Tag ist der Nachmittag frei und wir können uns etwas erholen. Wir sind seit dem 30. Juli hier, das Trainingslager dauert noch bis zum 17. August, dann ist Anreise nach Rotterdam.

MT: Das ist ja ein wirklich straffes Programm. Bleibt denn nebenbei noch Zeit für Schule und Studium? Und gibt es für diesen ganzen Aufwand eine finanzielle Unterstützung?

Bea Bliemel: Ich habe in diesem Jahr mein Abitur gemacht, deshalb habe ich in diesem Sommer nicht den ganz großen Stress in der Hinsicht. Ich werde seit einiger Zeit durch die deutsche Sporthilfe monatlich gefördert, das hilft zumindest ein wenig.

Anna-Maria Brendel: Ich studiere in Dortmund Architektur und habe in diesem Jahr mein Studium sehr zurückgestellt, um mich für die WM zu qualifizieren. Ich profitiere finanziell, genau wie Bea, von der Unterstützung der Volksbank Minden für die Topathleten des Bessel-Ruder-Clubs.

MT: In welchem Boot werdet ihr denn bei der U23-WM starten?

Anna-Maria Brendel: Wir haben uns beide für den Vierer ohne Steuerfrau qualifiziert. Über mehrere Selektionen nach den Deutschen Meisterschaften Ende Juni in Hamburg sind der Achter und der Vierer ohne Steuerfrau besetzt worden. Bea und ich gehen jetzt mit Annemieke Schanze aus Ratzeburg und Stella Bleich aus Potsdam an den Start.

Bea Bliemel: Der Selektionsprozess durch den Deutschen Ruderverband war in diesem Jahr leider nicht wirklich transparent und nachvollziehbar. Wir haben aber in der Mannschaft das Beste aus der Situation gemacht und haben hier im Trainingslager gut zusammengefunden.

MT: In Rotterdam werden in diesem Jahr die U23- und die U19-Weltmeisterschaften sowie die Weltmeisterschaften in den nichtolympischen Bootsklassen in der offenen Altersklasse gemeinsam ausgetragen. Freut ihr euch schon auf dieses Mammut-Event?

Bea Bliemel: Es wird meine erste U23-WM werden, da ich erst in dieser Saison in die Altersklasse der B-Senioren hochgerutscht bin, von daher bin ich sehr auf das internationale Niveau gespannt. Die Regatta wird über mehr als eine Woche gehen und wird die größte Regatta in der Geschichte des Weltruderverbandes FISA. Das wird sicherlich eine beeindruckende Veranstaltung.

Anna-Maria Brendel: Ich bin schon im Jahr 2014 die Ersatzfrau auf der U23-WM gewesen, bin damals aber nicht zum Einsatz gekommen. Ich freue mich natürlich darauf, jetzt auch im Boot angreifen zu können. Unsere Finalrennen werden bereits am Donnerstag, den 25. August stattfinden, so dass wir bis zum Sonntag auch noch viel Zeit haben werden, die anderen deutschen Mannschaften anzufeuern.

MT: Wie sehen denn eure Ziele für die WM aus und wer sind die härtesten Konkurrenten?

Bea Bliemel: Wir wollen auf jeden Fall das Finale der besten sechs Boote erreichen. Wenn wir das erreicht haben, dann werden wir auf jeden Fall vollen Angriff gehen.

Anna-Maria Brendel: Das Meldeergebnis für die WM ist noch nicht veröffentlicht. Aufgrund der Erfahrungen der letzten Jahre gehen wir aber davon aus, dass die Mannschaften aus den USA, Großbritannien, Australien und Neuseeland die härtesten Gegner sein werden.

MT: Dann drücken wir euch die Daumen und hoffen, dass ihr eure Ziele in Rotterdam erreichen werdet. Vielen Dank für das Interview!

Bilder aus der Trainingslager in Ratzeburg unter: www.besselrc.de

 

Text: Christoph Knost
Foto: Alexander Pischke

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Mit Blick auf den Ratzeburger See – die beiden BRC-Athletinnen Anna-Maria Brendel (links) und Bea Bliemel.