Lehzen und Liebe holen sensationell Bronze mit deutschem Vierer ohne Steuermann

Bronze-Coup in Litauen: Mindener Ruder-Duo schreibt Vereinsgeschichte

Trakai () Der malerische Galve-See im litauischen Trakai bleibt für die Mindener Ruderer ein gutes Pflaster. Schlagmann Jan Lehzen und sein Teamkollege vom Bessel-Ruder-Club, Collin Liebe, feierten an der Seite ihrer beiden Hannoveraner Teamkollegen Nicolai Gablenz und Peer Luis Czorny mit dem sensationellen Gewinn der Bronzemedaille bei der U19-Weltmeisterschaft einen der größten Erfolge des Mindener Ruderns und versetzten den Mindener Club 14 Tage nach dem Bronzegewinn von Achter-Steuermann Sadeepa Jagoda bei der U23-WM im polnischen Poznan erneut in Ekstase.

Doch auch ein ehemaliger Trainer des Bessel-Ruder-Clubs erlebte in Trakai seine nächste Sternstunde als Coach: Robin Lützkendorf. Mittlerweile in Brandenburg beim Deutschen Ruder-Verband angestellt, führte er Mads Schmied zur Goldmedaille im Einer-Wettbewerb und bescherte dem DRV erstmals seit elf Jahren wieder den Titel in dieser prestigeträchtigen Bootsklasse. An gleicher Stelle war 2017 bei den U19-Titelkämpfen der Mindener Patrick Pott mit dem „kleinen Deutschland-Achter“ zur Goldmedaille gerudert. Sein damaliger Heimtrainer in Minden: Robin Lützkendorf. Ein Jahr später hatte Pott mit dem deutschen Flaggschiff nochmals WM-Bronze im tschechischen Racice geholt und die bislang letzte Medaille eines aktiven Ruderers für den BRC erkämpft.

Nun sind Jan Lehzen und Collin Liebe in dessen große Fußstapfen getreten. „Für Jan und Collin war die Qualifikation für die Weltmeisterschaft nach einer allenfalls durchwachsenen Saison schon ein Erfolg. Doch was die beiden mit Nicolai und Peer abgeliefert haben, ist aller Ehren wert“, sagte Christoph Knost, Sportlicher Leiter des Bessel-Ruder-Clubs Minden, der mit einer elfköpfigen Fangruppe, zu der auch Lehzens und Liebes Mindener Heimtrainer Björn Bierwirth zählte, in Trakai vor Ort die beiden Vereinsmitglieder lautstark angefeuert hatte.

Und die beiden Protagonisten, die sich den Finaleinzug als Ziel gesetzt hatten, wuchsen in der Tat über sich hinaus. „Im Vorlauf hatten wir mit dem amtierenden Europameister Rumänien relativ starke Konkurrenz. Wir sind jedoch unbefangen ins Rennen gegangen, haben unseren Ablauf, den wir uns ausgeklügelt hatten, abgespult und nach 1.300 Metern das Rennen komplettbeherrscht. Am Ende mussten nicht mehr mit voller Kraft rudern, um zu gewinnen“, sagte Schlagmann Jan Lehzen, der sich mit seinen Kameraden auch im Halbfinale in exzellenter Form präsentierte. „Wir hatten den Vorteil, dass wir drei Gegner aus unserem Vorlauf auch hier als Kontrahenten hatten und wussten, dass wir diese bereits einmal hinter uns gelassen hatten. Nur Australien und Frankreich waren neu hinzugekommen“, erklärt Lehzen. Australien hatte im Vorlauf die etwas schnellerer Zeit gegenüber den Deutschen, doch im Kampf Boot gegen Boot um den ersten Platz war gegen das deutsche Quartett wiederum kein Kraut gewachsen.

Das Finale war erreicht, der Appetit auf mehr längst gestiegen. Und auch im Endlauf lief es für die Deutschen prächtig. Hinter den in einer anderen Liga vorausrudernden Briten lieferte sich das deutsche Boot zusammen mit den stark gestarteten Italienern und den USA einen heißen Kampf um die Plätze. „Unser Start war in Ordnung, bis zur 1.000-Meter-Marke haben wir ein ordentliches Rennen abgeliefert, lagen auf Platz drei und haben dann einen Zwischenspurt angezogen, der uns sogar an den Italienern vorbeigebracht hat. Hinten heraus war Italien dann allerdings einfach stärker und hat sich Silber gesichert. Wir hatten aber die USA jeder Zeit unter Kontrolle und freuen uns riesig über Bronze“, sagte Lehzen.

Nach der Zieldurchfahrt spielten sich emotionale Szenen auf dem Gewässer ab. Die vier Deutschen lagen sich glücklich in den Armen und beglückwünschten sich gegenseitig. Von einer Sekunde auf die andere war der ganze Druck abgefallen und in eine Jubelorgie gemündet. Für die beiden Mindener Lehzen und Liebe sowie für das das gesamte Team stand am Abend nach dem Rennen noch ein gemeinsames Essen und eine kleine Party an. „Bundestrainer Paul Zander hat noch einmal lobende Worte für uns gefunden. Doch bei der Party haben wir nicht über die Stränge geschlagen. Um 0.30 Uhr sind wir in die Federn, schließlich ging um 6 Uhr unser Flug von Vilnius nach Riga und von dort zurück nach Berlin“, blickt Lehzen auf eine denkwürdige Woche in Litauen zurück.Nach dem bislang größten Erfolg seiner Karriere ist jetzt erst einmal Ausspannen angesagt. „Ich komme jetzt für eine Woche nach Minden zurück. Dann geht es zusammen mit meinen beiden Freunden Lasse Deterding und Max Haseloh auf eine dreimonatige Europareise“, freut sich Jan Lehzen bereits auf aufregende Tage in mehreren Ländern des Kontinents. „Zuerst wollen wir den Norden bereisen und vor allem Skandinavien unter die Lupe nehmen“, sagt Lehzen, der mit seinen Freunden dann aber noch einmal einen einwöchigen Zwischenstopp in Minden einlegt. „Lasse und Max werden am 11. und 12. September jeweils 18 Jahre alt und wollen diese Geburtstage auf jeden Fall in großem Kreis in Minden feiern. Danach geht unsere Europareise weiter in den Süden nach Griechenland, Kroatien und auf den kompletten Balkan“, erzählt Lehzen bereits voller Vorfreude. In den Zwischenstopp soll auch ein gemeinsamer Empfang für die beiden Ruderer und Steuermann Sadeepa Jagoda beim Bessel-Ruder-Club steigen. Dann dürften die Erinnerungen an den malerischen Galve-See in Trakai und seine Medaillen-Magie für die Deutschen bei Lehzen und Liebe auf einen Schlag wieder aufleben.

ASC_3227: Ausgelassene Freude bei den deutschen Bronze-Ruderern Jan Lehzen (im Uhrzeigersinn, von unten), Collin Liebe (beide aus Minden), Peer Luis Czorny undNicolai Gablenz.

ASC_3294: Bejubeln ihre Bronzemedaillen: Die deutschen Junioren-Ruderer Collin Liebe, Jan Lehzen, Nicolai Gablenz und Peer Luis Czorny.

 

Fotos: Detlev Seyb & Maren Derlien

Text: Thomas Kühlmann